Keine Fisimatenten !

Zu Beginn eine kleine Anekdote aus einer Blitzpartie, die für den Anziehenden eine fiese Wendung nahm. Dieser hatte im späten Bauernendspiel eine glatte Gewinnstellung erreicht:

Fisimatenten I

a b c d e f g h    8                   8   7             7   6                 6   5                 5   4                   4   3                   3   2                   2   1                   1    a b c d e f g h
ChessDiag V1.01 (12-OCT-2002)

1. d8 ?!

8/2pPk3/2P5/5K2/8/8/8/8 w - - 0 1

In der Annahme, in der Stellung gewinnt ja alles, grabschte er in hochgradiger Zeitnot nach der nächstbesten Umwandlungsfigur und knallte mit Schach und süffisantem Unterton 1. d8L+!? aufs Brett in Erwartung der baldigen Aufgabe.

Denn allen Kiebitzen war klar nach 1. ...Kd8: erfolgt 2. Kf6!! (das ungestüme 2. Ke6?? vergibt den Sieg, denn nach 2. ...Ke8! kein Weiterkommen) Ke8 3. Ke6! Kd8 4. Kf7 +- gewinnt den c-Bauern und die Partie 4. ...Kc8 5. Ke7 Kb8 6. Kd7 Ka7 7. Kc7: 1:0

Doch ach - nach dem feinen Gegenzug des Schwarzen fiel der Weiße aus allen Wolken ! Warum ? Weil er den einzigen Nichtgewinnzug gefunden hatte (selbst eine Unterverwandlung in einen Springer hätte gereicht !), denn nach dem kaltblütigen, seelenruhig vorgetragenen 1. ...Kd6! dämmerte es ihm: nun ist die Partie offenkundig nur remis !!

Keine Fisimatenten ! Übermut tut selten gut !

Tragischerweise hatte er am selben Abend schon einmal eine Endspielstellung mit viel "Künstlerpech" vergeigt.

Fisimatenten II

a b c d e f g h    8                   8   7                   7   6                 6   5               5   4                 4   3                   3   2                 2   1                   1    a b c d e f g h
ChessDiag V1.01 (12-OCT-2002)

1. ...?

8/8/1Q6/1b2K3/2k5/8/2p5/8 b - - 0 1

In obiger Position hatte er mit Schwarz am Zug einen genialen Einfall.
Man muß sich in dieser Stellung von seinem Läufer verabschieden um Remis zu halten, denn die direkte Damenumwandlung 1....c1D?? verliert ja wegen Dc7+! sofort. Auch das naheliegende Festhalten am Läufer mit 1. ...Kb4? läßt Schwarz chancenlos, das Klammern wird nach 2. De3 mit Verlust bestraft.

Also spielte er listigerweise das Läuferopfer, zog mit einer gewissen Effekthascherei 1. ...Kd3?? in der Erwartung von 2. Db5:+ Kc3 oder Kd2 mit bekannter Remisstellung.

Aber Weiß nahm gar nicht den Läufer, sondern zog eiskalt 2. Dh6!! mit Kontrolle des Umwandlungsfeldes und alsbaldigem Gewinn !

Demoralisierend kam hinzu, daß das Läuferopfer mittels 1. ...Kb3!! zum Remis genügt hätte, nach 2. Dh6 hält Kb2! remis.

So ein Pech aber auch !

Das kann doch unseren Compis nicht passieren...

Oder etwa doch ??

Diese Begebenheit erinnerte mich irgendwie an einen Modul-Artikel mit dem Thema Französich für Computer (Modul 1/88, S. 25-27) wo für unsere geliebten Brettcomputer eine miese Falle aufgebaut wurde, in die der bedauernswerte MM II auf Turnierstufe prompt hineintappte.
Auch hier gilt die Warnung: Mach keine Fisimatenten !

Der MM II hatte bis dahin in bester Computermanier ein stattliches materielles Plus angehäuft:

Im letzten Zug wurde mit 17. The1 ! ein hinterhältiger Plan eingeleitet ("Dieser Zug hat lediglich den Zweck, Schwarz glauben zu lassen, er könne in Ruhe rochieren, denn mit Turm auf der h-Linie ist die Drohung doch zu offensichtlich).
17. ...0-0?? (Originalkomentar von H. Strehle "Der erste und letzte Fehler").

Dies halte ich wiederum für einen Fehler. Zwar ist die schwarze Rochade positionell total verfehlt, aber die Partie damit noch keineswegs verloren.
18. Th1! ("Der Turm kehrt zurück und mit ihm das Verderben".) 18. ...Ld7(?)
Hier gab es bessere Alternativen, 18. ...d4 oder 18. ...Td8 sehen stärker aus, denn jetzt bekommt der schwarze Monarch Besuch: 19: Th7:! Richtig fies, so gemein !
19. ...Kh7:?? Wer macht denn sowas ??
Im Überschwang handelt der Computer richtig menschlich und schnappt sich automatisch erst mal die Schwerfigur, doch diesen Satansbraten hätte der MM II nicht verspeisen dürfen !

Nach 20. Th1+ Kg8 21. Dh4 ist das Matt unvermeidlich !
21. ...f5 22. g6!! Df4:+ 23. Df4: Tfc8 24. Dh4 Kf8 25. Dg5! Se7 26. Th8+ Sg8 27. Dh4 Tc4 28. Dh7 wird Schwarz unausweichlich matt.

Auch das direkte Damenrückopfer hilft nicht mehr: 21. ...Df4:+ 22. Df4: denn sowohl auf Tfe8 als auch Tfc8 setzt Weiß unnachgiebig nach mit 23. g6!! fg 24. Sg5!!

Statt des unbedachten, panikartigen Turmschlagens kamen gleich 2 Alternativzüge in Betracht, sowohl mit 19. ...Tfc8 als auch 19. ...De4 behält Schwarz kühlen Kopf und bewahrt zumindest das Gleichgewicht !

Wann wird 17. ...0-0? und noch viel wichtiger, wann wird das viel zu gierige 19. ...Kh7:?? von den Brettcomputern verworfen ?

Gruß
Hans-Jürgen

Hallo Jürgen
Ein amüsanter und für viele vielleicht sogar lehrreicher Beitrag.
Gruss
Kurt

viele lesen den Text aber keiner probiert's )
nun die erste F1 stellte ich auf meine atlanta auf und spielte ein wenig herum; die Maschine hätte dem in Zeitnot Geratenen helfen können und schon mal nicht zur Umwandlung geraten, vielmehr schleicht sie wie eine weiße Spinne um die Bauernburg herum, grapscht sich den Bauern c7 und schickt sich zur Umwandlung, lustig sich das anzusehen
bei F2 versuchte ich als schwarzer zu entkommen, aber keine chance; das Biest schiebt mich gnadenlos zusammen, raubt mir läufer und bauer und setzt matt
F3 muss ich bei Gelegenheit mal auf dem pc anschauen, auf meinem phone wird das bild nicht dargestellt

so, zum Nachmittagskaffee die Partie Strehle vs MII

dazu musste ich auf dem Atlanta die Position aus der Grundstellung heraus aufstellen, um die Rochade nicht zu verderben
das ging einfacher als gedacht und funktioniert ziemlich logisch
zeit gebe ich dem Gerät 3 min pro Zug, was vllt der turnierstufe des MII entspricht

testweise lasse ich Herrn Strehles 1.zug auch berechnen: 1.The1
das ist reine Psychologie, um den armen MII zu veräppeln, der allerdings lt. evaluation ca. 5 Bauerneinheiten Vorteil hat

nein, der atlanta weiß nix von Psychologie, er zieht 1.Th2

Sinn ist klar: Turmverdoppelung mit Angriff auf die schwarze K-Stellung
ich setze den Turm von h2 zurück auf jetzt e1 wie in deiner Stellung gezeigt

für den 1.zug des MII zieht der atlanta statt der Rochade 1.....a5
ich setze den Bauern zurück und gebe die Rochade ein, jawohl, das funktioniert problemlos, die Rochade war durch das Figurenschieben nicht beschädigt worden und war also in den Berechnungen drin

2.Th1 Ld7 übernehme ich

3.Txh7
3...…....De4 (statt 3....Kxh7, letzteres wird kurz angedacht, aber nach ca 3 sek verworfen)
die Bewertung für Schwarz ist inzwischen von -5 auf -2 abgesackt

4.Th1+ Kg8 übernehme ich

5.Dh4
5......Dxf4+ à tempo

6.Dxf4
6......Te8
die Bewertung ist auf +2 für Weiß umgeschlagen

7.g6!! (sieht der atlanta mit weiß nach etwa 55 sek auch)
7.....fxg6 hier versucht sich der rechner mit aller Kraft, aus dem Matt herauszuwinden
über allen nur denkbaren möglichkeiten brütet er insgesamt über 10 min,
gleichzeitig erscheint in der Anzeige schon drohend ein Matt in 8

8.Sg5
8.....Sd8 mit matt in 7 usw.

die Rechentiefe betrug je 9-11 Halbzüge

hübsch, eine gute Partie des Herrn Strehle, mutig, kampf- und opferbereit hat er den MII in die Knie gezwungen
Respekt!, die Züge zeigen, wie anspruchsvoll doch auch die kleinen schwarzen Briketts sind, und ich wage zu behaupten,
nicht jeder hier hätte das so schön hingekriegt, mich eingeschlossen.

Eine schöne Dritteadventssonntagsnachmittagskaffeebeschäftigun g.

Übrigens: bei dem extrem kurzen Wort am Schluss wird das Schluss-g separat angezeigt, im Beitrag aber ist es zusammen geschrieben. Wie ist das möglich?

Hi,

bei der Ausgabe von Text wird der Umbruch automatisch an die Fenstergröße des Browsers angepasst. Ändert man die Auflösung oder die Zoom-Einstellung ändert sich der Text passend mit.

Der Editor hat beim Schreiben eine feste oder andere Einstellung, daher kann die Ausgabe von der Eingabe abweichen.

Gruß
Achim

Wieso, nimmt er bei der Stellungseingabe die Rochademöglichkeit nicht als legal an?

Wenn ich bei meinem MMVI diese Stellung eingebe, geht er automatisch von einer Rochademöglichkeit für Schwarz aus.

hast recht, habe das mit folgender Stellung ausprobiert:



Schwarz am Zug hat nur eine einzige Möglichkeit, dem drohenden Matt zu entkommen: die Rochade

und der atlanta macht das anstandslos, war mir neu, danke für den Hinweis!

Eine Erklärung könnte sein, dass einige Programme überprüfen, ob die Stellung korrekt entstanden sein kann oder nicht. Und die obige Stellung mit der Bauernfront kann definitiv nicht aus einer Partie stammen.

Aber den meisten alten Schachcomputern traue ich das nicht zu ...

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Beim Mephisto II Brikett kann man die Rochade bei einer Stellungseingabe beeinflußen. Gebe ich erst den Turm, und dann den König ein , spielt er keine Rochade. Gebe ich erst den König, dann den oder die Türme ein, sind Rochaden möglich.