Ein Drama in fünf Akten:

Einer der unbestrittenen Stars des Dschungelschachs ist der Fidelity Sensory 9, der schon Anfang der Achtziger Jahre als "Wolf im Schafspelz" tituliert wurde. Seine unorthodoxe Spielweise, hat ihm viele Anhänger eingebracht. Natürlich kann man ihn von der Spielstärke nicht mit dem Mach III oder Mach IV vergleichen, aber für die eine oder andere Überraschung ist er schon gut. Mittlerweile habe ich Dank eines Forumteilnehmers wieder solch ein Gerät, und ich habe ihn (Tarzan) gleich gegen ein paar andere Geräte (30 Sekunden pro Zug) getestet.

Erster Akt - Das erste Opfer:
Hier hat es Tarzan mit einem Gegner (Mephisto Europa A) zu tun, der tausende Male über den Ladentisch gegangen ist. Ein Gerät für die Masse. Kein Genie, aber eins, das sehr solide spielt (Schachschule) und für Amateurspieler kaum zu schlagen ist. Mit anderen Worten kein Alfa sondern ein Golf.

Tarzan hat auch fast 100 Elo-Punkte weniger als sein Gegner. Von Anfang an bringt er Hektik ins Spiel. Irgendwann hat er sich dann verrechnet und steht schlechter da. Nun besinnt er sich und dreht richtig auf und verwirrt seinen Gegner, der in einer Kombination 2 Offiziere verliert. Im Abschluss ist Tarzan dann unerbittlich.



Zweiter Akt - Tarzan kämpft gegen den Menschenaffen:
Als nächstes kämpft Tarzan gegen einen Orang-Utan (gespielt von Novag Primo). Der Novag ist ungefähr das gleiche Kaliber wie der Europa A. Er ist allerdings wesentlich unternehmungslustiger, was ihm manchmal schneller das Genick bricht. Den Eröffnungszug b2-b4 muss man bei den meisten Computern lange suchen. Der Novag spielt ihn ab und zu. Auch Tarzan wird von dem Dschungelzug verwirrt und entgegnet statt der Theorie e7-e5 mit e7-e6. Der Primo errichtet bald eine labyrinthische Bauernstruktur und Tarzan sieht sich mit seinen eigene Waffen angegriffen. Prompt überzieht er und verliert die Qualität. Ein paar Züge später scheint er aufgewacht zu sein und verwirrt mit riskanten Manövern seinen Gegner vollends. Schon wieder hat er seinen Gegner besch***en und bringt diesen um den schon sicher geglaubten Sieg!



Dritter Akt - Ein leichtes Opfer:
Nun tritt unser Held gegen einen in der ELO-Zahl gleichwertigen Gegner (Mephisto Mirage) an. Der Mirage ist eine verbesserte Version des Mephisto II Brikett. Man sollte meinen, dass solch ein Spiel ausgeglichen ist und sich eine langweilige Partie entwickelt. Hier allerdings macht der Mirage von Anfang an soviele positionelle Fehler, dass er von Tarzan schnell und schmerzlos überwältigt wird.



Vierter Akt - Der Kampf gegen den Elefantenbullen:
Jetzt denken viele, dass unser Held in ernsthafte Schwierigkeiten gerät. Ein Gegner (Saitek Turbo Advanced Trainer mit RISC-style-Prozessor), der in einer ganz anderen Liga spielt und wesentlich mehr PS unter der Haube hat. Es ist zwar kein Kampf "Bambi gegen Godzilla", aber ein etwas unfaires Treffen, bei dem das Ergebnis von vorne herein feststehen sollte. Unser Held ist aber auf der Höhe seiner Kunst. Nach ein paar Tritten, die er vom Elefantenbullen erhalten hat, rappelt er sich auf und fügt dem Gegner ein paar schmerzhafte Blessuren zu. Diesem bleibt am Schluss nichts weiter übrig als sich mit einer dreifachen Stellungswiederholung vor dem Zorn Tarzans zu retten.



Fünfter und letzter Akt - Tarzans Tod:
Zuletzt hat es unseren Helden nun doch erwischt. Es erwischte ihn im Kampf gegen den einen unspektakulären Gegner (Krypton Regency). Ein Gegner, der wie die Spinne im Netz sitzt und auf kleine Unbedachtheiten des Gegners lauern. Selbst spielt er kein spektakulären Schach, aber er spielt staubtrocken solide und kann Vorteile in das Endspiel herüberretten. Er ist von der Spielanlage her ein kleiner Karpov im Westentaschenformat. Wenn so ein Gerät noch über 200 ELO-Punkte mehr als Tarzan hat, kann es zu dessen Totengräber werden. Beachtenswert ist es auch, dass es die längste Partie des kleinen Turniers ist. Tarzan ist von Anfang an positionell unterlegen, kann aber immer ausgleichen. Seinen entscheidenen Fehler macht er, als er in toter Remisposition wieder ein paar Mätzchen veranstaltet, die ihn völlig unnötig einen Bauern kosten. Sein Gegner ist voll auf der Höhe und spult - da Tarzan auch noch versäumt, bei KDB - KD es mit Dauerschach zu versuchen - das Endspiel technisch gelungen ab.



Ich muss sagen, dass mir das Ganze sehr grossen Spass gemacht hat. Ich wurde auch an die guten Zeiten 1983/1984 erinnert, als ich dutzende sehr interessanter Turnierpartien gegen den Sensory 9 gespielt habe.

Viel Spass beim Nachspielen!

.

Hallo,

Ja ehr spielt wirklich gut!
Mich ist aufgefallen das ehr das offnung mit Sf3-g3-Lg2-d4 sehr gut spielt,das gefallt die SENSORY9 denke ich. 2 aus 2
Aber vielleicht kommt Tarzan Jane noch gegen....

Grusse,Hans

Hallo Elite V2

Fünf Sterne dafür *****

SUPER KOMMENTARE!!!!

__________________
Gruss,
René

Wenn ich gewusst hätte, dass mein CC9 mal im Dschungel endet...
Auf jeden Fall wird er wieder gebraucht, und das freut mich!

Hallo Christian!

Du hast mir mit dem Gerät eine grosse Freude gemacht - Dankeschön nochmals!

Viele Grüsse

Ein Kampf Fidelity - Novag hat etwas von einem Duell zweier Neuromantiker, während die Partie Sensory9 - Mephisto Europa eher Nimzowitsch vs. Tarrasch-Qualitäten hat. Ich weiss nicht was es ist, aber beim Selbstspielen sehe ich gegen den Fidelity wesentlich weniger Land als gegen Europa, Mondial & Co.

Ja, 1.b4 ist offenbar die Geheimwaffe der Novag-Geräte, auch wenn zur "echten" Sokolski-Eröffnung 2.Lb2 fehlt. Trotzdem sieht der Aufbau als solcher interessant aus - irgendwann werde ich den Orang-Utan auch mal in mein Repertoire für Weiss aufnehmen (welches derzeit aus dem Damengambit und KIA besteht).

Klasse Bericht!

Andreas

__________________
Für die Herrschaft der Mittelmäßigen ist die Verdummung der Masse zwingend notwendig (Emanuel Lasker).

Ich hab mich heute noch mal inspirieren lassen und eine Partie des Sensory 9 gegen den Kishon Chesster gespielt (Bedenkzeit 30s/Zug). Das Ergebnis der spannenden Partie ist nicht minder erstaunlich als die anderen Partien:



Die Mattführung war zwar etwas holprig, aber ansonsten wieder mal eine stramme Leistung!

__________________
Für die Herrschaft der Mittelmäßigen ist die Verdummung der Masse zwingend notwendig (Emanuel Lasker).

Hallo Andreas,

das war eine sehr interessante Partie. Ja der Sensory 9 ist immer für eine Überraschung gut. Ich habe ihn gestern mal gegen den MMI spielen lassen (30 Sekunden pro Zug). Die beiden haben sich erst dschungelmässig beharkt und dann hat der MMI sich seiner Hauptschwäche besonnen (Gefahren ignorieren) und sich Matt setzen lassen. Tarzan hat ihm ein Matt in 5 angesagt und vollstreckt!



Viel Spass beim Nachspielen!

Ich hatte schon immer den Verdacht, dass die Spracklens beim Sensory 9 irgendeine geheime Anti-Mephisto-Programmierung mit eingebaut haben. Diese Leichtigkeit, mit der Geräte wie Mondial2, Europa, aber auch MMII mit schöner Regelmässigkeit trotz 2-300 Elo-Punkten mehr geknackt werden, gibt einem manchmal schon zu denken.

__________________
Für die Herrschaft der Mittelmäßigen ist die Verdummung der Masse zwingend notwendig (Emanuel Lasker).