Kurz zur Vorgeschichte:
Letztes Jahr fand im Rahmen des Betriebssports hier in Frankfurt ein Simultan-Turnier gegen Kateryna Dolzhykova (DWZ: 2300, ELO: 2244) in den Räumlichkeiten der DZ-Bank statt. Gegen ein geringes Startgeld, das der jungen ukrainischen Meisterin (die hier als Trainerin Fuß fassen möchte) zugute kommen sollte, konnten wir antreten - so auch ich. Meine Französisch-Partie, die ich natürlich chancenlos verlor, ist nicht der Rede wert aber das ganze Event war ein großer Erfolg. Ein zweites Turnier fand wenige Monate später statt (da war ich aber verhindert). Nun sollte es auch zum dritten Male wiederholt werden.
Als Schachcomputer-Fan, mit einem Faible für die alten Module und Geräte fand ich die Idee reizvoll, mal wieder ein Brettgerät "außer Konkurrenz" antreten zu lassen, gerade auch weil so etwas seit den 80er Jahren eigentlich nicht mehr gemacht wird (niemand würde ja z.B. gegen Stockfish mehr antreten). Da K. Dolzhykova im ersten Turnier eine Partie gegen einen 19XXer abgeben musste, fiel mir sogleich mein Mephisto Polgar ein, der mit ELO 1997, nicht zu unterschätzen ist, scharf spielt und seinerzeit wohl das letzte stärkste 8Bit-Gerät gewesen ist (Respekt noch mal an Ed Schröder!). Ein weiteres Modul, das ich noch parat gehabt hätte, wäre der Vancouver gewesen - nur leicht schwächer als sie selbst ... aber im Simultan ... ?! Es sollte ja fair bleiben.
Ich ließ über den Veranstalter fragen, ob sie zu so einem Experiment bereit sei und bekam positives Feedback. Sie war sogar bereit, auch gegen den Vancouver zu spielen - das wäre ihr also egal gewesen.
Ok, dachte ich ... nimm halt Dein riesen München-Brett nebst Polgar- und Vancouver-Modul mit und dann entscheiden wir vor Ort.
Das war jedoch alles letztes Jahr weit vor Weihnachten. Inzwischen war der neue Mephisto Phoenix bei mir eingetroffen und die Idee, ihn bei einem ersten öffentlichen Experiment zu präsentieren, war äußerst reizvoll. Ihn bei Schneeregen auf dem Fahrrad zu transportieren war gar nicht so einfach - aber machbar! Daher brauchte ich ja die 60x60cm Tasche.
In der Zwischenzeit war aber auch verkündet worden, dass sich ein zweiter Spieler - offenbar ihr Freund - Samuel Weber (DWZ: 2272, ELO: 2236) vom SV Oberursel dazugesellen würde und die beiden reihum abwechselnd ziehen würden. OK - auch gut, zwar nicht optimal aber es war ja eh nur ein Experiment. Würden die beiden zusammen stärker sein? Oder würde der eine die Pläne des anderen unabsichtlich durchkreuzen?
Das Turnier fand diesmal dankenswerterweise in den Räumlichkeiten der Bundesbank statt und ich hatte im Vorfeld mit dem Organisator alles Weitere geklärt (Stromanschluss usw.).
Das erst kürzlich erschienene Gerät erzeugte sogleich neugierige Blicke und ich machte - nicht ohne etwas Stolz - ordentlich Werbung für das Teil. (Es wird ja auch wieder ein bebilderter Bericht auf Chessbase.de erscheinen).
18 Teilnehmer waren insgesamt am Start. Das Gerät würde 3-4 Minuten pro Zug haben, während Kateryna Dolzhykova und Samuel Weber (im folgenden nur noch: "Meister" genannt) nur ca. 5-15 Sekunden Bedenkzeit zur Verfügung hätten. Ich blieb also bei meiner Entscheidung und ließ den Mephisto Polgar als Emulation im Mephisto Phoenix gegen die Meister antreten - und zwar im Original (6502 5 MHz). Ich stellte lediglich das Turnierbuch ein und beließ auch die selektive Suchtiefe beim Default 3.
Nach leichten technischen Schwierigkeiten (irgendwie musste ich plötzlich anfangs mal resetten) ging es dann los. Als Level wählte ich die Analyse, die ich dann immer mit ENT beendete, sobald einer der Meister vorbeikam. Mit INFO überwachte ich die Berechnung. Der Polgar wählte Caro-Kann und verteidigte sich sehr solide. Zu keinem Zeitpunkt der Partie gab es Ausreißer in der Bewertung, es pendelte immer um 0.00 herum. Ich wartete quasi mit Spannung darauf, dass mal etwas passiert, ein Blunder auf einer der beiden Seiten z.B. - aber nein! Auffällig war, dass einige Züge der Meister nicht immer korrekt auf dem Brett erfasst wurden. Schleifen oder nachlässiges Ziehen wurden nicht immer erkannt, ich musste die Fehl-Eingaben dann korrigieren. Peinlich wäre gewesen, wenn das Gerät plötzlich ausgefallen wäre oder ich mich auf dem Touchscreen verklickt hätte - aber das ist zum Glück nicht passiert. Lob also an die Stabilität! Man durfte jederzeit mal passen/aussetzen und auch die Meister spielten unterschiedlich schnell, überholten sich sogar einige Male, weswegen man auch nicht mehr nachvollziehen kann, welcher Zug nun von wem kam. Daher nutzte auch ich mal die ein oder andere "taktische Toilettenpause", um dem Polgar noch die Chance auf die nächsthöhere Suchtiefe zu gewähren

Einige Male hatte er auch Glück, da ein besserer Zug gefunden wurde, kurz bevor einer der Meister am Brett erschien. Da die Stellung teilweise sehr komplex war und sich viele Figuren auf dem Brett befanden, gelang es dem Polgar selten, bis in Tiefe 7 vorzustoßen.
Die Partie endete remis. Die Meister gaben insgesamt eine Verlustpartie und zwei mal Remis ab (wenn ich mich nicht irre).
Mir hat es riesigen Spaß gemacht, obwohl ich nicht wirklich selbst was geleistet habe. Man fiebert automatisch mit seinem Schützling mit, den man bedient. Das Ergebnis war ja völlig offen. Es war ein Match auf Augenhöhe, so wie ich richtig vermutet hatte (obwohl Stockfish Weiß ganz oft im Vorteil sieht) - am Ende hätte Weiß jedoch gewinnen können. Menschen machen Fehler und der Vancouver wäre mit 2174 wahrscheinlich zu stark gewesen. Daher bin ich sicher beim 4. Simultan wieder mit einer Emulation (ca. 2000 ELO) dabei, mal sehen ...
Ich hoffe, ich konnte einige der Anwesenden wieder ein wenig für "die alten Geräte" aber auch für die modernen Umsetzungen begeistern und habe hier und da auch unser Forum nebst ausgezeichnetem WIKI lobend erwähnt!

Viele Grüße
Björn Sigurd
[Event "Doppel-Simultanturnier / Bundesbank"]
[Site "Frankfurt"]
[Date "2023.01.19"]
[Round "?"]
[White "Kateryna Dolzhykova & Samuel Weber"]
[Black "Mephisto Polgar"]
[Result "1/2-1/2"]
[ECO "B13"]
[WhiteElo "2240"]
[BlackElo "1997"]
[Annotator "Björn Sigurd K. mit Stockfish"]
[PlyCount "101"]
[EventDate "2005.09.06"]
[EventCountry "GER"]
[SourceVersionDate "2023.01.19"]
1. e4 c6 2. d4 d5 3. exd5 cxd5 4. Bd3 Nc6 5. c3 Nf6 {(Buchende)} 6. Ne2 g6 7.
Bf4 Bg7 8. Nd2 O-O 9. h3 Bd7 10. O-O Re8 11. Nf3 Rc8 12. Re1 Qb6 13. b4 Nh5 14.
Bh2 a6 15. a4 Nf6 16. Qb3 Na5 17. Qa2 Nc4 18. Ne5 Nxe5 19. Bxe5 e6 20. Reb1 h6
21. a5 (21. b5 axb5 22. axb5) 21... Qd8 22. f3 Qe7 23. Qd2 Bc6 24. b5 axb5 25.
Bxb5 Nh7 26. Bxg7 Kxg7 27. Nf4 Bxb5 28. Rxb5 Rc7 29. Qe1 $6 {nach diesem Zug
sprang die Bewertung endlich mal kurzzeitig auf (aus seiner Sicht) +0,23} Rec8
{Polgar spielt auf die Schwäche c3} 30. Rab1 Nf6 31. Nd3 $5 Ne8 $5 ({fast
hätte der Polgar dies gespielt:} 31... Kh7 32. Qg3 Ne8 33. Rc5 Rc6) 32. Nc5
Nd6 33. Rb6 e5 34. Qg3 {auf die taktischen Verwicklungen wollten sich "die
Meister" nicht einlassen.} (34. dxe5 Rxc5 (34... Nc4 35. Na4 Nxb6 36. Nxb6 Rd8
$19) 35. exd6 Qxe1+ 36. Rxe1 Rd8 $18) (34. Ne6+ Qxe6 35. dxe5 Rc6 36. Rxc6 Rxc6
37. exd6 Qxe1+ 38. Rxe1 $11) 34... f6 {auch nach diesem Zug stieg die
Bewertung zugunsten des Polgars an, obwohl Weiß nun leicht in Vorteil kommen
kann.} 35. Qg4 (35. dxe5 fxe5 36. Nd3 g5 37. Qxe5+ Qxe5 38. Nxe5 Rd8 39. a6
bxa6 40. Rxa6 Nc8 $18) 35... f5 36. Qg3 f4 37. Qg4 {Mutig entscheidet sich der
Polgar für dieses Qualitätsopfer:} Rxc5 38. dxc5 Rxc5 39. Rxd6 Qxd6 40. Rxb7+
Rc7 41. Rxc7+ $4 (41. Qc8 $3 {Das war der Gewinnzug, der hier übersehen wurde
(Stockfish: +5.29)} Rxb7 42. Qxb7+ Kf6 43. Kh2 e4 44. Qb4 Ke5 45. Qd4+ Ke6 46.
fxe4 $18) 41... Qxc7 42. Qe6 d4 43. cxd4 exd4 44. Qb6 Qc3 45. Kh2 d3 46. a6 d2
47. Qd6 g5 48. a7 Qa5 49. Qd7+ Kf6 50. Qc6+ Kg7 51. Qd7+ {Hier wurde mir Remis
angeboten, das ich sogleich annahm.} 1/2-1/2