Also ich für meinen Teil muss die Frage mit einem klaren "Jein" beantworten!
Wenn man unter "perfekt" versteht, dass sich keiner der Spieler eine Blöße gibt, nur Figuren "schiebt" und sich am Ende auf Remis einigt, dann ist das in meinen Augen einfach nur langweilig.
Ich verfolge die Großmeisterszene nicht, aber ich glaube, dass sich Angriffsspieler heutzutage schwer tun, in der absoluten Spitze mitzuhalten (zumindest dürften sie deutlich in der Minderzahl sein), deshalb überwiegen da wahrscheinlich die Positionsspieler und die Remisquoten sind tlw. unerträglich hoch.
Früher (damit meine ich vor allem das 19. Jahrhundert) gab es viel mehr Partien mit Gambiteröffnungen (die man in dieser Form heute überhaupt nicht mehr sieht) und Königsangriffen. Die Partien waren weit davon entfernt, "perfekt" zu sein, aber ich finde sie extrem unterhaltsam. Postionell angelegte Partien mögen "gut" sein, aber mir (geschätzt ca. 1600-1700 ELO) fehlt wohl einfach das Vermögen, das einzuschätzen.
Aufs Computerschach bezogen: die amüsantesten Partien habe ich zwischen Geräten aus der 1000-ELO-Klasse spielen lassen. Die waren natürlich gespickt mit Fehlern (Figuren werden nicht abgetauscht, sondern beiderseits verloren
), aber ich hatte mich noch nie mehr Grund zum Grinsen als in zwei Partien, an die ich mich besonders erinnere: Die erste spielten ein CXG Portachess gegen einen Novag Secondo: Wenn ich mich recht erinnere, hat der Novag in den ersten 12 Zügen nur mit den Bauern gezogen! Sowas hatte ich noch nie gesehen und ich ärgere mich heute noch, dass ich nicht mitnotiert habe (damals war ich noch der Meinung, dass Partien auf diesem Niveau es nicht wert wären, erhalten zu bleiben)
Die andere Partie spielte mW ein Tiger Marathon deluxe (wer der Gegner war, weiß ich leider nicht mehr, da ich auch diese Partie nicht mitgeschrieben habe) Hier wurden praktisch alle Figuren verloren (s. o.), aber es kam ein materiell ausgeglichenes Endspiel aufs Brett, das wegen zuwenig Material Remis endete.
In den "Real-Life"-Turnieren in Kaufbeuren und Klingenberg hört man immer wieder Ausrufe wie "Was spielt er denn jetzt?", "Nein, das gibt es doch nicht!" "Warum denn das?" usw. gefolgt von verständnislosem Kopfschütteln oder Schmunzeln (je nachdem, ob man Bediener oder Zuschauer ist
)
Und genau das macht in meinen Augen das ganze interessant: die Emotionen, die man dabei empfindet!
Sowas kann ich mir z. B. bei einem Engine-Turnier einfach nicht vorstellen, wo kaum noch Fehler passieren und man als Normalspieler keine Chance hat, nachzuvollziehen, warum jetzt gerade dieser Zug gespielt wurde. Für GM-Turniere gilt für mich ähnliches, wobei ich aber anmerken möchte, dass die "menschliche" Komponente das doch noch in gewissem Maße interessanter macht. Schöne Angriffspartien schaue ich mir natürlich auch bei GM gerne an, aber die sind heutzutage halt selten geworden, oder täusche ich mich da?
Ich sehe das so: Für "gutes" Schach schaue ich mir GM-Partien an (dann muss ich zur Unterstützung aber eine Analyse-Engine mitlaufen lassen); wenn es auch "unterhaltsam" sein soll, darf es auch ruhig mal was von schwächeren Spielern/Computern sein.
viele Grüße
Robert