AW: Spannungserhöhung Milano pro / Masterchess
In der Tat ist es Glückssache, wie weit ein Gerät getunt werden kann. Das liegt daran, wie die Toleranzen einzelner Bauteile zufällig ausfallen.
Beispielsweise galt der Atlanta lange Zeit nicht höher als 32 MHz tunefähig, bis ich dann ein offensichtlich so "gutes" Exemplar erhielt, das mit 36 MHz lauffähig ist, und das sogar ohne irgendeine weitere Anpassung. Das Gerät läuft auf 5 V mit 36 MHz und ist noch nie abgestürzt. Nur ganz, ganz selten mag es nicht booten (Anlaufschwingung der Quarzkondensatoren kommt vermutlich nicht in Schwung), aber das ist ja etwas anderes als ein Absturz im Spiel.
Andere Atlantas schaffen selbst mit Spannungserhöhung auf 6 V nicht einmal 30 MHz, sondern bei denen ist mit 27 MHz/6 V Schluss. Mittlerweile haben es noch mehr Atlantas sogar auf 40 MHz geschafft, aber soweit ich weiß, immer mit Spannungserhöhung auf 6 V. Aufgrund der Eigenheiten des Atlanta bei der Spielstufeneinstellung (feste Stufen, die Uhr läuft schneller) ist es aber nicht zweckmäßig, dass ich meinen Atlanta auf 40 oder noch mehr MHz umrüste. 36 MHz kommen zu exakt denselben Zügen wie 40 MHz. Also bleibe ich dabei.
Der Milano Pro hat dagegen eine separat getaktete Uhr, die getrennt vom Hauptquarz immer korrekt laufen sollte. Also ist die Spielstärkeneinstellung anders als beim Atlanta zu begutachten. Mit anderen Worten: mit 25 MHz läuft er, z.B. bei Einstellung auf 30 sec Rechenzeit, effektiv etwas schneller, sprich macht mehr Berechnungen, als mit 24 MHz, d.h. er nutzt im Gegensatz zum Atlanta tatsächlich die vorgegebene Zeit entsprechend aus.
Wird dagegen der Atlanta auf 60 sec eingestellt, er wird immer diese "eingebildeten" 60 sec rechnen (real könnte das tatsächlich je nach Tuning z.B. 40MHz/30 sec oder 36 MHz/33 sec sein), also kommt er zum absolut identischen Ergebnis, weil er sich selbst vermeintliche 60 sec gönnt. Er bekommt nicht mit, wie lange das in Realzeit ist.
Mit anderen Worten: eigentlich brauche ich beim Atlanta gar kein Tuning, um die "getunten" Ergebnisse mit einem ungetunten Gerät nachzuprüfen: Will ich mit einem normalen Atlanta die Partie eines auf 40 MHz getunten Atlanta nachspielen (sagen wir mal Aktivschach 30 sec), so wird der getunte auf 60 sec eingestellt, läuft dann aber real 30 sec pro Zug. Ich kann aber ein normales Gerät auch auf 60 sec einstellen, dann braucht er real halt echte 60 sec, er wird dann aber exakt diesselben Resultate abliefern, weil er sich intern "60" sec Zeit für die Berechnungen nimmt. Falls doch mal ein Unterschied auftreten sollte, so könnte das am Zeitverbrauch des Bedieners liegen oder daran, dass Zugalternativen zufällig genau gleichwertig waren. Ansonsten müssen die Resultate exakt dieselben sein.
Ich habe einen Milano Pro auf 25 MHz umgebaut. Es ist wohl eher eines der störrischen Geräte, die sich nicht so gerne tunen lassen, denn schon für die 25 MHz braucht er zwingend eine Spannungserhöhung auf 6 V. Mit 27 MHz läuft er bereits nicht mehr ganz stabil, mit 25 MHz dagegen hat er noch nie Probleme gemacht. Mit den 25 MHz hat das Gerät bereits etliche Turniere anstandslos absolviert.
Es kam schon öfter vor, dass ein Gerät nach einem Tuning sauber zu laufen scheint, aber dann kommt es doch immer wieder vor, dass es abstürzt. Damit kann man kein Turnier spielen. Ein Absturz darf so gut wie nicht vorkommen. Man muss also ein Gerät nach dem Tuning länger testen, bevor das Tuning als gelungen angesehen werden kann. Da es zwischen verschiedenen Geräten desselben Modells durch Bauteildifferenzen zu unterschiedlichen Toleranzen kommen kann, kann man wohl sagen, dass eine zuverlässige Grenze für Milano Pro/Masterchess bei 24 MHz liegt. So erkläre ich mir die Denkweise eines Serienherstellers, dessen Tuning muss allgemein problemlos laufen. Das ist dann eine allgemein gültige Grenze für unterschiedlich ausgefallene Hardwaretolerenzen. Im Einzelfall mag ein erheblich höheres Tuning gelingen, aber in einer Serienfertigung kann man so nicht arbeiten.
Wenn ich mich recht erinnere, hat Achim damals herausgefunden, dass mindestens 24 MHz nötig sind, damit der Milano Pro/Masterchess gelegentlich einen anderen Zug (sagen wir mal: etwa einen pro Partie) als das ungetunte Gerät (20 MHz) macht. Bei der selektiven Vorgehensweise des Programms ergeben sich ja für die meisten Züge einer Partie keine Unterschiede zum ungetunten Gerät. Für 24 MHz ist das also geklärt: Es funktioniert technisch zuverlässig und es bringt etwas. Ich habe halt für mein Gerät 25 MHz genommen, weil ich den Quarz gerade vorrätig hatte.
Die Frage ist, ob sich mit 27 MHz ein signifikant anderes Zugverhalten als mit 24 oder 25 MHz ergibt - ich glaube das eher nicht, weil noch höheres Tuning keine proportionale Steigerung der Spielstärke bringt. Achim wird dazu genauer etwas sagen können. Wenn ich recht haben sollte, wäre es womöglich nicht nötig, auf 27 oder 30 MHz zu kommen, weil das Verhalten sich nicht nennenswert ändert (vielleicht einmal in 100 Partien ein anderer Zug als 24 MHz, könnte ich mir denken). Ob sich das statistisch als Elo-Steigerung auswirkt? Höchstens minimal.
Ich möchte also damit sagen, dass es technisch reizvoll ist, die Tunebarkeit eines Geräts auszureizen. Ob es schachlich etwas bringt, ist mit immer höheren Tuningwerten zunehmend unwahrscheinlicher. Die Spielstärkesteigerung nimmt nämlich mit zunehmendem Tuning immer mehr ab, und das gilt in höherem Maße für selektive Programme wie die Morsch-Programme. Verirrt sich ein Gerät auf der selektiven Suche in einen falschen Ast, dann kann es darin so viel rechnen wie es mag: Es bringt in aller Regel nichts besseres.
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