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Alt 29.10.2017, 20:12
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AW: Match 120'/40 Saitek D+ EGR 8 MHz - MM V HG550

20. Partie, Französische Verteidigung (Nimzowitsch-Variante): Das Winawer-System in der Französischen Verteidigung ist nicht für Computer gedacht. Das spürt man auch deutlich in dieser Partie. So versteht es Schwarz (Saitek D+) nicht, am Damenflügel Druck zu machen. Ebenso wenig Verständnis demonstriert Weiss (MM V), wie man am Königsflügel einen Angriff in die Wege leiten könnte. Es erstaunt deshalb nicht, dass es schliesslich in der Hand von Schwarz gelegen wäre, die Initiative am Königsflügel (!) zu ergreifen und das bessere Spiel zu bekommen. Nach gegenseitigem Herumwursteln und schwächeren Zügen ist es dann aber doch Weiss, der plötzlich zu einem nicht parierbaren Angriff gegen den schwarzen König kommt. So geht für den Saitek D+ auch die letzte Partie verloren. Als grosser Matchgewinner mit 14,5:5,5 (+13 -4 =3) kann sich deshalb der Mephisto MM V HG550 von Ed Schröder feiern lassen.


[Event "SaitekD+_MM5"]
[Site "Zürich"]
[Date "2017.10.28"]
[Round "20"]
[White "MM V HG550"]
[Black "Saitek D+ EGR 8 MHz"]
[Result "1-0"]
[ECO "C19"]
[WhiteElo "1982"]
[BlackElo "2022"]
[Annotator "K. Utzinger"]
[PlyCount "62"]
[EventDate "2017.10.28"]

1. e4 e6 {20. Partie, Französische Verteidigung (Nimzowitsch-Variante): Das
Winawer-System in der Französischen Verteidigung ist nicht für Computer
gedacht. Das spürt man auch deutlich in dieser Partie. So versteht es Schwarz
(Saitek D+) nicht, am Damenflügel Druck zu machen. Ebenso wenig Verständnis
demonstriert Weiss (MM V), wie man am Königsflügel einen Angriff in die Wege
leiten könnte. Es erstaunt deshalb nicht, dass es schliesslich in der Hand
von Schwarz gelegen wäre, die Initiative am Königsflügel (!) zu ergreifen
und das bessere Spiel zu bekommen. Nach gegenseitigem Herumwursteln und
schwächeren Zügen ist es dann aber doch Weiss, der plötzlich zu einem nicht
parierbaren Angriff gegen den schwarzen König kommt. So geht für den Saitek
D+ auch die letzte Partie verloren. Als grosser Matchgewinner mit 14,5:5,5
(+13 -4 =3) kann sich deshalb der Mephisto MM V HG550 von Ed Schröder feiern
lassen.} 2. d4 d5 3. Nc3 Bb4 4. e5 c5 5. a3 Bxc3+ 6. bxc3 Ne7 7. Nf3 {Ende Buch
} Bd7 {Ende Buch} 8. Rb1 Bc6 {Völlig unüblich anstelle von 8...Dc7, doch
schlecht kann der Zug nicht sein.} (8... Qc7 9. dxc5 Nbc6 10. Bf4 Ng6 11. Bg3
Na5 12. Bd3 Qxc5 13. O-O Qxc3 14. h4 h6 15. h5 Ne7 16. Bf4 Nec6 17. Qc1 Qc5 18.
Be3 Qe7 19. c4 dxc4 20. Bxc4 Rc8 21. Bb5 b6 22. Qc2 Qd8 $2 (22... O-O $1 $11)
23. Rfd1 Rc7 24. Qa4 O-O 25. Rd2 f5 26. exf6 Qxf6 27. Rxd7 Rxd7 28. Bxc6 Nxc6
29. Qxc6 Rfd8 30. g4 Rd5 31. Kg2 Rf8 32. Nh2 Qe5 33. Rb4 Rd3 34. Re4 Qd5 35.
Qxe6+ Qxe6 36. Rxe6 Rxa3 37. Nf3 Rc3 38. Nd4 Rcc8 39. Nf5 Rc7 40. Bd4 Rff7 41.
Be5 Rcd7 42. Rg6 Kh7 43. Nd6 Rfe7 44. f4 a5 45. Nf5 Rf7 46. Rxb6 a4 47. Nh4 Rb7
48. Rc6 Rfd7 49. Kf3 Rd3+ 50. Ke4 Rg3 51. Ng6 Rxg4 52. Nf8+ Kg8 53. Ng6 Kh7 54.
Kf5 Rg2 55. Rc8 Rf7+ 56. Ke6 Rxg6+ 57. Kxf7 Ra6 58. Rc7 a3 59. Bxg7 a2 60. Bd4
Ra8 {1-0 (60) Firman,N (2505)-Shulman,Y (2550) Philadelphia 2003}) 9. Be2 Nd7
10. Bd2 O-O 11. O-O Qa5 12. Qc1 c4 {Blockiert den Damenflügel mit all den
damit verbundenen Vor- und Nachteilen. Weiss erhält nun freie Hand am
Königsflügel, wo er langsam einen Angriff vorbereiten kann. Das braucht
angesichts der weissen Figurenkonstellation doch einige Zeit. Diese Zeit
könnte Schwarz für Manöver wie a) Sd7-b6-a4 und Druck gegen c3 oder b) a6
und Se7-c8-a7-b5 und gleichzeitigem Angriff auf a3 und c3 nutzen. Agiert
Schwarz auf diese Weise, zeigt die Erfahrung jedoch, dass Weiss unter Aufgabe
seiner anfälligen Damenflügelbauern mit seinem Gegenangriff meistens
schneller ist. Kurzum, die Behandlung dieses Stellung ist beidseits eine für
die Computer zu schwierige Aufgabe.} 13. Qb2 {Plant Weiss Db4, um die Damen zu
tauschen und seine Bauernstellung zu verbessern? Ansonsten macht die
Aufstellung seiner Schwerfiguren auf der b-Linie einen etwas unzweckmässigen
Eindruck, fehlt doch die Dame für den Angriff am anderen Flügel.} Nf5 14. Bg5
$6 {Hier hat der Läufer nichts verloren.} (14. g4 {nebst Sf3-h4 gefolgt von
f2-f4 war eine Überlegung Wert, denn mangels Beherrschung der Diagonale d8-h4
steht dem schwarzen Ross nun das Feld h4 nicht zur Verfügung.}) 14... h6 {
Ein schwerwiegender Entscheid, der die Königsstellung schwächt.} ({Mit} 14...
f6 $5 {konnte Schwarz den Versuch starten, die Initiative zu übernehmen} 15.
Bf4 g5 16. Bg3 h6 $15) 15. Bf4 Qc7 $6 {Auch jetzt hatte Schwarz kaum eine
bessere Wahl, als mit 15...g5 die Notbremse anzuziehen.} (15... g5 16. Bd2 g4
17. Ne1 h5 $14) 16. g4 Ne7 17. g5 (17. h4 {war konsequenter}) 17... Ng6 (17...
h5 {ist besser}) 18. Be3 hxg5 (18... h5 {ist nicht mehr so gut, weil nach} 19.
Ne1 {g6 nicht möglich ist und} h4 20. f4 {Weiss am Drücker ist}) 19. Nxg5 Nb6
20. Bh5 (20. Qc1 $142) 20... Na4 21. Qa1 Nh4 22. Rfe1 $6 {Damit beweist Weiss,
dass er keine Ahnung hat, um was es in dieser Stellung geht. Der Turm musste
natürlich auf f1 verharren, um den strategischen Plan f2-f4-f5 zu
unterstützen.} b5 $2 {Verpasst es, das Gesetz des Handeln mit 22...f6 an sich
zu reissen.} (22... f6 $1 23. Nf3 (23. exf6 gxf6 24. Nxe6 Qh7 25. Nf4 Kh8 $17)
(23. Nxe6 Qc8 24. Nxf8 Qh3 $19) 23... Be8 24. Bd2 Bxh5 25. Nxh4 Qe7 $17) 23.
Bf4 $6 {Weiss hätte den König nach h1 ziehen und die g-Linie räumen sollen.}
a5 $2 (23... f6 $5 $17 {und der Vorteil geht an Schwarz über}) 24. Re3 {
Mit der Überführung des Turms auf die 3. Reihe wird es langsam brenzlig für
Schwarz.} Qb6 (24... Qe7 25. Rh3 f6 $16 {war noch die beste Verteidigung}) 25.
Rh3 $1 {Hat der MM V Blut geschmeckt?} Nf5 26. Bg4 $6 {Nur die zweite Wahl,
denn 26.Kh1 hätte gewonnen} (26. Kh1 $1 b4 (26... Nh6 27. Rg1 $18) 27. axb4
axb4 28. Rxb4 Qa7 29. Nh7 Rfc8 30. Nf6+ $1 Kf8 31. Bg4 Ke7 32. Bxf5 exf5 33.
Nh5 Rg8 34. Rg3 g6 35. Bg5+ Ke6 36. Nf4+ Kd7 37. Rh3 Rh8 38. e6+ fxe6 39. Qe1
$18 {weisse Gewinnstellung}) 26... Nh6 27. Bf3 {Zum Glück für Weiss steht er
noch immer deutlich besser} Qc7 28. Kh1 $1 $18 {Jetzt, nachdem Weiss auch noch
die g-Linie für seinen Turm b1 freimacht, gibt es gegen den weissen Angriff
auf die schwarze Königsstellung keine Verteidigung mehr.} Qe7 29. Rg1 Kh8 (
29... f5 30. Nh7 Kxh7 31. Qc1 $1 Ra7 32. Bxh6 $18) (29... f6 30. Nh7 Kxh7 31.
Bxh6 gxh6 32. Rxh6+ Kxh6 33. Qf1 $18) (29... Nf5 30. Nh7 $18) 30. Ne4 $1 {
Ich weiss nicht, ob MM V hier das Matt in 11 angezeigt hat.} dxe4 31. Bxh6 g6 {
Schwarz gibt auf} 1-0


Fazit Match 120'/40 Saitek D+ EGR 8 MHz - Mephisto MM V HG550
Die kommentierten Partien wie immer unten als PGN-Download

Nach den vorhergehenden Erfolgen des selektiven Programms von Julio Kaplan gingen wir voller Hoffnung für den Saitek D+ in dieses Match. Bediener (Rolf Bühler) und Kommentator (Kurt Utzinger) erlebten jedoch eine riesige Enttäuschung. Saitek D+ erwies sich als das deutlich unterlegenere Programm. Trotz des vom Resultat her überwältigenden Sieges des Programms von Ed Schröder mit 14,5 : 5,5 (+13 -4 =3), vermochte aber auch der MM V nicht zu überzeugen. Beide Programme zeigten enorme Schwächen in allen Partiephasen. Am deutlichsten die Nase rümpfen konnte man im Endspiel, wo wechselseitige und grobe bis unverständliche Fehler an der Tagesordnung waren. Betrachtet man die Partien unter dem Gesichtswinkel, wer die meisten Chancen verpasst hat, so war dies Saitek D+, der nur 8,5 : 11,5 hätte verlieren sollen, wenn man die effekten den zu erwartenden Ergebnissen (in Klammern) vergleicht, und zwar aus Sicht des MM V:

MM V verliert statt gewinnt (Saitek gewinnt statt verliert)
1. Partie 0 (1)
3. Partie 0 (1) /

MM V remisiert statt gewinnt (Saitek remisiert statt verliert)
2. Partie 0,5 (1)

MM V remisiert statt verliert (Saitek remisiert statt gewinnt)
5. Partie 0,5 (0)
9. Partie 0,5 (0)

MM V verliert statt Remis (Saitek gewinnt statt Remis)
19. Partie 0 (0,5)

MM V gewinnt statt Remis (Saitek verliert statt Remis)
6. Partie 1 (0,5)
7. Partie 1 (0,5)
13. Partie 1 (0,5)
17. Partie 1 (0,5)

MM V gewinnt statt verliert (Saitek verliert statt gewinnt)
4. Partie 1 (0)
11. Partie 1 (0)
15. Partie 1 (0)

MM V Resultat in Ordnung nach Partieverlauf
8. Partie 1 (1)
10. Partie 1 (1)
12. Partie 1 (1)
14. Partie 0 (0)
16. Partie 1 (1)
18. Partie 1 (1)
20. Partie 1 (1)

Nach dem Studium der Partien stellt sich trotzdem die Frage, welches der beiden Programme denn eigentlich besser ist. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Gleichwertigkeit herrscht, obwohl das Endresultat eine andere Sprache spricht. In der Eröffnung haben beide Programme noch Schwächen, was auch die Folge von den teilweise ungenügenden Büchern ist. Das Mittelspiel können beide Programme gut oder schlecht behandeln, wobei man dem MM V das bessere Raumgefühl und die aktivere Bauernführung attestieren muss. Die Gefahren gegnerischer Angriffe gegen die Königsstellung werden bei beiden Programmen gar nicht oder zu spät erkannt. Ein besonderer Schwachpunkt von Saitek D+ ist die Geringschätzung von (potenziellen) Freibauern, indem eigene nicht forciert und gegenerische zu spät bekämpft werden. Taktisch sind vom Stellungstyp abhängig beide Programme nicht auf der Höhe. Und haarsträubende Dinge sieht man bei beiden Programmen im Endspiel.

Die Prognosen für dieses trotz allem interessante Match sahen 4 x einen Sieg von MM V und ebenfalls 4 x einen Sieg von Saitek D+ voraus. Mit der Schätzung von 12 : 8 für den MM V liegt Olaf am nächsten am realen Ergebnis.

Viele Grüsse
Kurt
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