Liebe Schachfreunde
Der Einsatz von Schachcomputern in unserer Vereins-Meisterschaft in Pfäffikon, Kanton Zürich, Schweiz, war für mich als Bediener, wie auch für die teilnehmenden Spieler, immer spannend.
1986: Mephisto Amsterdam, 16bit, 68000 CPU, 12 MHz
Das damalige Weltmeisterprogramm von Richard Lang erreichte 3 Pkt aus 7 Partien, eine Gewinnquote von 42,8 % bzw. eine Leistung von 1901 Elo.
1987: Mephisto Dallas, 16bit, 68000 CPU, 12 MHz
Hervorragendes Resultat für das Programm von Richard Lang in diesem Klubturnier: Ein Score von 6.0 Pkt aus 8 Partien (75 %), was bei einem ELO-Schnitt von 1986 einer Leistung von 2174 ELO entspricht.
1988: Saitek Maestro C18 (Turbo Kit), 8bit, CPU 65C02, 18 MHz
Das Programm von Julio Kaplan riss keine Bäume aus und zeigte eine schwache Leistung. Mit einem Endresultat von nur 2.5 Pkt aus 7 Partien oder einer Gewinnquote von 35,71 % und einer erzielten Turnierwertung von nur ELO 1862 bei einem ELO-Schnitt von 1969, hat das Saitek-Programm weit unter den Erwartungen, aber entsprechend der in allen Bereichen gezeigten qualitativ schwachen Vorstellung abgeschnitten.
Die kommentierten Partien der Jahre 1986, 1987 und 1988 habe ich hier bereits publiziert.
1989: Novag Super Forte B, 8bit, CPU 65C02, 5 MHz
Schauen wir nun, wie es dem Programm von David Kittinger gelaufen ist.
3. Runde, Englisch: Eine wunderbare und wahrlich hoch dramatische Partie lieferte der schöpferische Manfred Gosch seinem elektronischen Gegner. In einem scharfen Kampf erlangte Weiss eine gewonnene Angriffsstellung, die er sich allerdings durch einen zu hohen Zeitverbrauch erkauft hatte. Und so verpasste Weiss in komplizierter Stellung den Gewinn ebenso wie Abwicklungen ins Remis. Der Sieg von Novag Super Forte B ist demnach recht glücklich zustandegekommen, aber mit 2,5 Pkt aus 3 Partien oder einer Gewinnquote von 83 % darf man mit Programm von David Kittinger sehr zufrieden sein.
[Event "VM 120'/40"]
[Site "Pfaeffikon"]
[Date "1989.??.??"]
[Round "3"]
[White "Gosch, Manfred"]
[Black "Novag Super Forte B"]
[Result "0-1"]
[WhiteElo "2138"]
[BlackElo "1950"]
[ECO "A30"]
[Annotator "Utzinger,K"]
1.Nf3 Nf6
{Mit 1,5 Punkten aus den ersten 2 Partien ging es in die dritte Runde. Mit Manfred Gosch hatte der Super Forte B gegen einen schöpferischen und unbequemen, zudem von der ELO-Wertung her (ELO 2138) starken Spieler anzutreten. Meine Hoffnung bestand darin, es möge eine komplizierte Partie werden, die dem Favoriten viel Bedenkzeit kosten würde. Zum Glueck gibt es selten ruhige Partien mit diesem Spieler, gegen den jede Vorbereitung zur Farce wird, denn er spielt alle Eröffnung mit einem oftmals die Gegner verwirrenden Eigenbau. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht, durfte ich doch eine spannende und hoch dramatische Partie geniessen.}
2.c4 c5 3.g3 g6 4.Bg2 Bg7 5.O-O d5
{Schwarz letzter Buchzug}
6.cxd5 O-O 7.a3
{Was damit bezweckt werden soll, hat mir Gosch nicht verraten, auf jeden Fall war dieser Überdeckungszug des Feldes b4 noch nicht notwendig.}
7...Nxd5 8.Nc3 Nc6
{Durch Zugumstellung ist eine Theoriestellung entstanden. Dann kann ja 7.a3 nicht wirklich getadelt werden.}
9.Nh4
{Will den Computer offenbar zum Schlagen Sxc3 und zur Stärkung des weissen Zentrums verleiten oder gar f2-f4 spielen, um nach einem allfälligen e7-e5 mit fxe5 oder f4-f5 die f-Linie zu öffnen.}
( 9.Nxd5 Qxd5 10.d3 b6 11.Rb1 Bb7 12.Be3 {ist eine mögliche Theorievariante.} )
9...Nf6
{Unlogischer Rückzug, standen doch in 9...Le6 oder 9...e6 mit der Idee, später den Aufmarsch b6/Lb7 zu verwirklichen, zwei gute Alternativen zur Verfügung.}
10.d3 a6
{Schwächt das Feld b6 und erlaubt dem Gegner, auf der c-Linie unangenehm aktiv zu werden.}
11.Na4 Nd7
{Heutige Programme (2009) würden wohl eher zur aktiven Verteidigung ...Sd4 greifen.}
12.Be3
{Schach ist kompliziert geworden und nur ein Grossmeister - bzw. eine gründliche Analyse - dürfte die richtige Antwort finden: war es denn positionell nicht angezeigt, dem Schwarzen mit Lg2xc6 seinen Damenflügel zu demolieren und ihm tödliche Bauernschwächen anzuhängen. Bieten denn dem Schwarzen die sich öffnende b-Linie und das Läuferpaar nicht doch genügend Kompensation für die gravierenden Bauernschwächen.}
12...Nd4 13.Rc1 Qa5 14.Rc4 $5
{Äusserst interessant und typisch Manfred Gosch, der sich nie mit einfachen Fortsetzungen abgibt, wenn er irgendwo eine Chance wittert. Beim überraschenden Textzug hat Weiss offenbar keine Angst vor der Antwort ...b5, Lxd4 cxd4, b4 Dxa4, Dxa4 bxa4, Lxa8 usw. Die Idee von 14.Tc4 besteht in der Lockerung des schwarzen Zentralspringers auf d4 mit b2-b4. Aber Weiss hatte für das wunderlich anmutende Turmmanöver immerhin 29 Min investiert und total bereits 1 Std 17 Min verbraucht. Auch die folgenden Züge kosteten den Weissen viel Zeit. Es beginnt spannend zu werden.}
14...Rd8
{Der Textzug ist nicht besonders gut und erlaubt es Weiss, die Initiative zu ergreifen.}
( {Nach} 14...b5 15.Bxd4 cxd4 16.b4 Qxa4 17.Qxa4 bxa4 18.Bxa8 Nb6 19.Be4 Nxc4 20.dxc4 {ist die dynamisch gleichstehend aussehende Stellung schwer einzuschätzen.} )
15.b4 Nxe2+
{Auch das musste Weiss vorausgesehen haben.}
16.Kh1 cxb4 17.axb4 Qb5
{Weiss steht besser. Unter anderem hat der Gegner Probleme mit dem auf e2 dumm platzierten Springer, der verloren zu gehen droht. Ferner leidet Schwarz an akutem Entwicklungsrückstand. Mir als Bediener gefiel der Gang der Dinge gar nicht und meine einzige Hoffnung ruhte im (zu) hohen Zeitverbrauch von Weiss.}
18.f4
{Damit schreitet Weiss zum Angriff, vorerst soll die f-Linie geöffnet und momentan auch Sd7-e5 verhindert werden. Wichtig zu wissen, dass Gosch bis zur Zeitkontrolle im 40.Zug nur noch 14 Min verblieben. Umso erstaunlicher, was er noch aus der Stellung kitzelt.}
18...e5 $6
{Das ist nicht die beste Verteidigung, die wohl in 18...Sf8 bestand}
19.Qxe2
( {Sofort} 19.f5 $1 {sieht sehr stark aus} 19...g5 20.Qxe2 Qxa4 21.Bxg5 $18 )
19...Qxa4 20.f5 Nf8
( 20...gxf5 $4 21.Nxf5 {und Weiss gewinnt in wenigen Zügen.} )
21.Bb6 $1
{Scheint noch stärker als das von mir befürchtete 21.Lg5 und bringt Schwarz in echte Schwierigkeiten.}
21...Re8
{?! Präziser ist 21...Td7 oder gar 21...Ld7}
22.Bd5
{Super stark sieht hier 22.Df2 aus.}
22...Qb5 23.Bc5 Rd8
{? Super Forte B ist der Situation nicht gewachsen und erkennt die ihm drohenden Gefahren nicht. Notwendig war 23...Dd7.}
24.Bxf7+ $5
{Ein mutiges Hineinziehungsopfer, aber nicht die beste Wahl. Der von Zeitnot geplagte Weiss-Spieler verpasst zwei Gewinn bringende Züge wie 24.fxg6 oder 24.Sxg6. Trotz des ungenauen Textzuges bleibt die Lage für Schwarz gefährlich.}
( {a)} 24.fxg6 Rxd5
( 24...hxg6 25.Bxf7+ Kh7 26.Bxg6+ Nxg6 27.Qh5+ Kg8 28.Nxg6 {und bald Matt} )
( 24...Nxg6 25.Bxf7+ Kh8 26.Nxg6+ hxg6 27.Rh4+ Bh6 28.Rxh6+ Kg7 29.Rxg6+ Kh8 30.Qh5# )
25.gxf7+ Kh8 26.Bxf8 Bxf8 27.Rxc8 Rd8 28.Qg4 Qd5+ 29.Rf3 Be7 30.Rc7 Qd6 31.Nf5 Qg6 32.Qxg6 hxg6 33.Nxe7 {+-} )
( {b)} 24.Nxg6 Rxd5 25.Ne7+ Kh8 26.f6 Bxf6 27.Rxf6 Be6 28.Rxe6 Nxe6 29.Nxd5 Qc6 30.Qxe5+ {und gewinnt} )
24...Kxf7
{Super Forte B sieht sich mit 1.56 im Vorteil, ich hatte meine Zweifel. Die Annahme des Opfers war übrigens erzwungen.}
( 24...Kh8 $4 25.Bxf8 Rxf8 26.Nxg6+ hxg6 27.fxg6 Bh6 28.Rc5 {und Weiss gewinnt} )
25.fxg6+ Kg8
{Erzwungen, ansonsten Schwarz Matt gesetzt wird.}
26.gxh7+ $2
{In Zeitnot und von den komplizierten Berechnungen ermüdet, greift Weiss schliesslich fehl. Mit entweder a) Txf8 oder b) Lxf8 ist der Remisweg noch nicht verwehrt.}
( {a)} 26.Rxf8+ Rxf8 {erzwungen} 27.gxh7+ Kxh7 28.Bxf8 Bxf8 29.Qh5+ Kg8 30.Qg6+ Bg7 31.Rxc8+ Rxc8 32.Qe6+ Kh7 33.Qf5+ Kg8 34.Qe6+ {Weiss kann gar mehr versuchen mit 34.Dxc8+} 34...Kh7 35.Qf5+ Kg8 36.Qe6+ Kh7 37.Qf5+ {Remis 3x} )
( {b)} 26.Bxf8 Rxf8 27.gxh7+ Kxh7 28.Rxf8 Bxf8 29.Qh5+ {mit Übergang zur Variante a)} )
26...Nxh7 27.Qh5 Be6 $2
{Nun ist es Super Forte B, der fehlgreift und dem Gegner erlaubt, doch noch das Remis zu erreichen. Mit 27...Sf6 oder 27...Dc6+ hatte Schwarz zwei gewinnträchtige Fortsetzungen.}
28.Nf5 $2
{? A tempo gespielt, aber damit gerät der Zeitnot gestresste Manfred Gosch endgültig auf den falschen Pfad. Dabei war das Remis mit dem fantastischen Rettungszug 28.Sg6!! noch immer zu haben, denn es droht Se7 gefolgt von Th4.}
( 28.Ng6 $3 Rd7 29.Rh4 Nf6 30.Qg5 Qxd3 31.Kg1 Bc4
( 31...Ng4 32.Qh5 Nf6 33.Qg5 )
( 31...Qc2 32.Rxf6 Rd1+ 33.Rf1 Rxf1+ 34.Kxf1 Qb1+ 35.Kf2 Qb2+ 36.Kg1 Qb1+ 37.Kf2 )
( 31...Nh7 32.Qh5 Nf6 33.Qg5 )
( 31...Bd5 32.Rxf6 Bxf6 33.Ne7+ Kf7 34.Qh5+ Ke6 35.Qg4+ Kf7 36.Qh5+ )
( 31...Rf7 32.Nxe5 Qd5 33.Nxf7 Bxf7 34.Rf5 Qd1+ 35.Rf1 Qd5 )
32.Rh8+ Bxh8 33.Ne7+ Kf7 34.Qh5+ Kg7 35.Qg5+ )
28...Bxf5 29.Qxf5 Qd7 $1
{Infolge Doppelangriff auf die Df5 und den d3-Bauern erzwingt der gute Textzug den für Weiss unangenehmen Damentausch, zumal andere Fortsetzungen die weisse Stellung verschlechtern. }
30.Qh5
{Trotz höchster Zeitnot will Weiss die Damen auf dem Brett behalten.}
30...Qxd3 31.Qf7+ Kh8 32.Rg4
{Droht Matt auf g7 und verhindert so das gegnerische Tf8. In der Folge findet der Computer nicht nur gute Verteidigungszüge, sondern versteht es, das Blatt endgültig zu seinen Gunsten zu wenden.}
32...Rd7 33.Qf2 Rad8
{Ein heimtückischer Zug, dessen Sinn dem Weiss-Spieler in seiner hochgradigen Zeitnot entgeht.}
34.Rh4 Qxf1+ $1
{Die einfachste Abwicklung zum Gewinn.}
35.Qxf1 Rd1 36.Kg2 Rxf1 37.Kxf1
{Nun steht Weiss mit einer Minusfigur im Regen.}
37...Rd2 38.Be3 Rb2 39.Rc4 Nf6 40.h4
{Schon zitterte das Blättchen auf der weissen Uhr bedenklich, als Gosch den letzten Zug vor der Zeitkontrolle auf das Brett schmetterte. Normalerweise hätte er nun aufgegeben, da ihm aber bekannt war, dass Computer öfters Freibauern unterschätzen, spielte er der h- und g-Bauern wegen noch weiter. Allerdings vergebliche Liebesmüh.}
40...Nd5 41.Bc5 b6 42.Bf2 Rxb4 43.Rc8+ Kh7 44.Rd8 Nf6 45.Rd6 Ne4 46.Rxb6 Nxg3+ 47.Kg2 Rxb6 48.Bxb6 Nh5 49.Kf3 Kg6 50.Ke4 Nf6+ 51.Kf3 e4+ 52.Kg3 Nd5 53.Bc5 Kf5 54.Kh3 e3 55.Kg3 e2 56.Kf2 Nf4 57.Be3 Bc3 58.Kf3 e1=Q 59.Bd4 Qe2+ 60.Kg3
{Welch eine Drama für Weiss und was für ein Glück für Super Forte B, der nun mit 2,5/3 Punkten (83%) sehr gut im Rennen liegt.}
60...Qg2# 0-1