Hallo Schachcomputer-Freunde,
200 Turnierpartien gegen 10 unterschiedliche Gegner liegen nun hinter dem Revelation II Mephisto Glasgow.
Die Gegnerschaft lag im Bereich von ca. 1850 - 2050, gemäß unserer "Turnier Elo Liste". Dabei scorte das Gerät beachtlich, mit einer Ausbeute von 102,5:97,5.
Anfangs stürmte das Gerät sogar über die "erhoffte Traumgrenze" von über 2000 Elo, letztendlich konnte dieser Wert jedoch nicht gehalten werden, selbst die 1950 Elo dürften nicht ganz erreicht sein. Dennoch..., der Mephisto Glasgow auf dem Revelation II spielt in dieser Gewichtsklasse voll mit.
Auf der anderen Seite reifte jedoch auch die Erkenntnis, dass eine weitere Anhebung der Geschwindigkeit, durch eine noch schnellere Hardware-Plattform, ohne umfangreiche Programmanpassungen fast wirkungslos verpuffen würde. Die Programmstruktur des Mephisto Glasgow ist auf dem Revelation II praktisch ausgereizt.
Der Wettkampf hat mir unglaublich viel Spaß bereitet und ich hoffe dass der ein oder andere Nostalgiker und Mephisto Glasgow-Fan auch seine Freude daran hatte. Im Folgenden versuche ich einmal eine Gesamt-Zusammenfassung aller 10 Wettkämpfe, mit allen positiven wie negativen "Charakter-Eigenschaften" des Programms zu spiegeln:
Positiv:
+ Überwiegend gesunde Eröffnungsbehandlung
+ Überwiegend positionell ansprechende Spielführung
+ Für ein Programm aus dem Jahr 1984 erstaunlich planvolle, menschlich anmutende Zugfolgen
+ Aktive Suche nach Remis-Schwindelchancen in unterlegenen Stellungen
+ In Gewinnstellungen versteht es Mephisto Glasgow meist gut zu vereinfachen
+ Spielt vereinzelt auch taktisch brillante Kombinationen
+ Teilweise werden die Umwandlungs-Chancen eigener Freibauern über die selektive Such sehr weit im Voraus berechnet
+ Spielstil ist immer wieder für Überraschungen gut
+ Trotz der massiven Beschleunigung durch den Revelation II darf nicht vergessen werden, wie extrem selektiv die Züge vom Mephisto Glasgow berechnet werden, was mehr wie beeindruckend ist!
Negativ:
- Eröffnungsrepertoire mit einigen Lücken und nicht optimal an den eigenen Spielstil angepasst
- Taktische Blackouts, insbesondere bei "stillen Zügen" sind keine Seltenheit
- Die selektive Komponente greift im Allgemeinen zu selten
- Königssicherheit wird nicht ausreichend berücksichtigt und bewertet
- Unterschätzung von Fesselungen
- Fehlende Programmstrategien für Räumungsopfer
- Fehlende Programmstrategien für Blockadeopfer
- Fehlende Programmstrategien für Bauerndurchbrüche
- Fehlende Programmstrategien für eigene Königsangriffe
- Unterschätzung von Grundlinienschwächen
- Motiv des Erstickungsmatt ist nicht bekannt
- Turmverdopplungen, insbesondere auf der 2. und 7. Reihe wird nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet
- Springer am Rand..., für den Glasgow generell keine Schand
- Dame wird in einigen Fällen in der Eröffnungsphase zu oft gezogen, bzw. in bedrohliche Positionen gebracht
- Ab und an werden (Rand)-bauern ohne jegliche Kompensation geopfert
- Nicht selten wird die Entwicklung einzelner Figuren vernachlässigt, bzw. schädlich verzögert
- Lässt oftmals zerrissene Bauernstrukturen ohne Not zu
- Neigt zu übertrieben optimistischen Stellungsbewertungen
- Teilweise erhebliche Korrekturen der Stellungsbewertung nach Figurenabtausch
- Vereinzelt werden Partien auch positionell in den Sand gesetzt
- Schlechtes Zeitmanagement: Für alternativlose Züge werden teilweise erhebliche Zeit Ressourcen geopfert und in schwierigen Stellungen werden die Züge vereinzelt a tempo gespielt, ohne dass hier das Permanent Brain gegriffen hätte
- Schwache Turmendspiele (der Turm gehört hinter die Bauern!)
- Schwache Figurenendspiele (nur rudimentäre Endspielstrategien vorhanden)
- Oftmals reicht die Rechentiefe in Mittel- und Endspielen einfach nicht aus (fehlende Hashtables)
- Die Gefahr von gegnerischen Freibauern wird oftmals nicht hoch genug bewertet
- Vorteil des Läuferpaars in den meisten Stellungen wird vom Glasgow ignoriert
- Begrenzung der Suchtiefe von max. 19 Halbzügen
Wenn man sich nun die Länge der Positiv- bzw. Negativliste ansieht könnte man glauben, dass der Mephisto Glasgow ein schwaches Programm ist. Doch mitnichten, diese Annahme ist trügerisch.
Vielmehr ist es erstaunlich, wie gut der Mephisto Glasgow auf dem Revelation II spielt, trotz dieser ganzen offensichtlichen Schwächen. Wenn doch nur mal der Thomas...
Auch wenn mir das Glasgow-Programm sehr am Herzen liegt, freue ich mich auf den nächsten Turnierschach-Wettkampf mit dem Revelation II, vermutlich mit dem Dallas-Programm von Richard Lang. Mit dieser Kombination aus Hard- und Software werden wir dann in einer höheren Liga spielen.
Gruß Egbert & einen schönen Sonntag noch
