Thema: Frage: Lötkolben
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Alt 27.01.2022, 22:40
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Walter Walter ist offline
Resurrection
 
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AW: Lötkolben


Mmmmh

- den ersten hatte ich mal, war ziemlich frustriert und habe das Teil entsorgt. Hatte einfach zu wenig Power.

- zum zweiten kann ich nichts sagen.

Heute habe ich 5 Lötkolben, weil man je nach Zweck unterschiedliche Stärken (Watt!) und Temperaturen braucht. Zwei sind brutal starke (Strom-)Geräte zum Löten von Kupferblech. Zwei weitere sind sog. Lötstationen, eine simple für gerade mal 16,95 € (technisch identisch wie die im Link unten), die andere, neuere ist elektronisch regelbar, also komfortabler. Man gönnt sich ja sonst nichts. Mit der einfachen habe ich zwanzig Jahre lang gearbeitet, bevor ich mir die elektronische zugelegt habe.

Einen Löter mit Akku habe ich auch, und der ist um Meilen besser als der hier gezeigte (weggeschmissene). Dieser mobile Löter (Parkside, von Lidl) ist für einen Akkulöter prima und kostete bei Lidl mal 11,99 €, auf Ebay kostet er derzeit grob das doppelte - ist er aber auch wert. Er hat Vor- und Nachteile. Vorteil ist der schnelle mobile Einsatz ohne Stromanschluss. Nachteil ist die sehr (!) begrenzte Temperaturleistung. Man kann also Dinge, die höhere Temperaturen benötigen, am besten gleich vergessen - klappt nicht. Außerdem ist die Lötspitze für viele Anwendungen zu dick, weil bei dem mobilen darin die Heizspirale untergebracht ist, das ist bei den stationären anders und schlanker. Ansonsten ist die Handhabung etwas anders als kabelgebundene Geräte, aber nicht besonders anders.

Also hat jedes Gerät seinen speziellen Einsatzbereich. Ich bin da aber auch ein Extrem-Heimwerker, und nicht jeder braucht das.
Am universellsten sind die Lötstationen.

Was ich dem Anfänger raten würde:

- unbedingt ein kabelgebundenes Gerät nehmen, das ist universeller und deutlich stressfreier zu handhaben. Akkugeräte sind was für Leute, die schon löten können.

- eine einfache (nicht elektronische) Lötstation ist universell und preiswert zu kriegen (deutlich unter 30 €). Die Standardleistung geht bis 40-50 Watt und damit ist das Gerät für die allermeisten Anwendungen mit niedriger und hoher Temperatur einsetzbar. Geräte über 50 Watt sind für Spezialsachen. Gut, wenn das Ding hat einen Temperaturregler hat. Es muss nicht gleich die Temperatur angezeigt werden, es genügt, wenn man nach kurzer Erfahrung ein Gefühl für die Temperatur bekommt. Eine Skala auf dem Einstellrad genügt absolut.

Beispiel:
https://www.ebay.de/itm/152318657138...4AAOSwcKJhbpLl

Da ist gleich etwas Zubehör dabei. Früher, bevor die Preise stiegen, kriegte man das Teil für 16,95 € (ohne das meiste hier gezeigte Zubehör, ganz nützlich ist die Entlötpumpe)

Tipps zum Löten für den Neuling:

- Am wichtigsten: Gutes Löten geht schnell.
- Solange das Lötzinn glänzt, ist es flüssig - solange keine Bewegung der Teile. Die Lötstelle ist belastbar, sobald das Lötzinn matt geworden ist (geht schnell, kann aber einige Sekunden dauern, je nach Materialstärke).
- Üben, am besten an irgendwelchen Probestücken
- am Temperaturregler drehen und verschiedene Teststücke (dicke, dünne) löten, damit man ein Gefühl für die benötigte Temperatur bekommt. Z.B. leiten dicke Kupferkabel sehr viel Wärme weg, so dass kaum Temperatur an der Lötstelle bleibt. Also braucht man da höhere Temperatur und ausreichend Power (Watt). Da macht ein Akkulöter die Grätsche.... Kleine Teile kann man mit zu hoher Temperatur zerstören. Also Gefühl dafür kriegen, das geht nur durch Übung.
- Grundsätzlich die Temperatur so niedrig wie möglich, aber so hoch wie nötig einstellen. Man bekommt nach einiger Zeit ein Gefühl für die richtige Einstellung.
- Vor der (ersten, aber auch späteren) Benutzungen des Lötkolbens darauf achten, dass die Spitze blank ist. Notfalls abkratzen oder abschleifen. Dann "verzinnen", d.h. die Spitze muss mit Zinn bedeckt sein. Erst dann mit der Arbeit anfangen.
- Die Spitze "verzundert" beim Löten, wird dunkel von Lötrückständen. Dann haftet das Lötzinn nicht mehr gut daran. Als Lösung des Problems gibt es einen Schwamm, der mittelmäßig nass (nicht nur ein bisschen feucht) sein sollte. Daran kann man den Zunder während der Arbeit sehr gut abstreifen. Der Schwamm ist sehr wichtig! Nach der Arbeit checken, ob die Lötspitze trotzdem wieder gesäubert (z.B. abgekratzt) werden muss.
- Bei niedriger Temperatur (bis knapp 250°C - ein wenig unterhalb der mittleren Einstellung - leider oft zu niedrig für manche Anwendungen) verzundert die Spitze wenig. Bei höheren Temperaturen geht das exponentiell nach oben und man hat dauernd den Dreck drauf hängen und kommt kaum mit dem Abstreifen nach. Das ist - neben der Schonung des gelöteten Materials - ein guter Grund, mit möglichst niedrigen Temperaturen zu löten.
- Für den Anfang würde ich mit mittlerer Einstellung anfangen. Das passt für viele Anwendungen.
- bei höheren Temperaturen klappt die Haftung des Lötzinns besser - also hat man Konflikte zwischen widersprüchlichen Anforderungen. Man muss lernen, wann man die Temperatur hochfahren muss.
- grundsätzlich sollte das Lötzinn schnell und gut haften (gutes Löten geht schnell, s.o.), das bringt die besten Ergebnisse.


Und jetzt kommt der Kniff für Insider:
Manche Materialien nehmen das Lötzinn sehr schlecht oder gar nicht an. Man könnte verzweifeln, das Lötzinn will nicht haften bleiben. Das passiert weniger bei neuen Bauteilen, aber öfter bei älteren (Oxidschicht hat sich gebildet).

Was tun?

- die zu lötenden Teile vorher mit Lötfett (sehr DÜNN!) beschmieren, oder
- die Teile mit dem Messer abkratzen, damit das Metall blank wird. Meist ist eine Oxidschicht auf der Oberfläche schuld.
- die Teile können aber auch unlötbar sein. Z.B. kann Aluminium nicht gelötet werden (auch nicht, wenn die Oxidschicht abgekratzt ist, probier es ruhig mal, ist eine wertvolle Erfahrung).
- Die Lötspitze nutzt sich mit der Zeit ab, hält aber eine ganze Weile (=viele Jahre). Man kann die Spitze bei Bedarf in die angenehmste Form nachfeilen.

Ansonsten:

Wenn du es noch kriegst (könnte mittlerweile aus dem Handel verschwunden sein) nimm bleihaltiges Lötzinn (der Bleigehalt ist niedrig, man sollte aber trotzdem vor dem Fingerfood die Finger waschen). ROHS heißt u.a. bleifrei, aber das kann die Industrie verarbeiten, für Amateurlöter ist ROHS eine Quälerei. Bleihaltiges Lötzinn haftet deutlich besser bei grundsätzlich niedrigeren Temperaturen und ist später nicht so aggressiv zu den verlöteten Metallen. Leider ist es wegen Umwelthysterikern und Nicht-korrekt-Entsorgern in Verruf geraten. Geht man sachgerecht damit um, gibt es meines Erachtens dagegen keine Einwände (und leider keinen gleichwertigen Ersatz). Herzlichen Dank an die Umweltverschmutzer und Blei-in-die-Landschaft-Entsorger!

Ach ja, auch wenn du noch keine Lesebrille brauchst (gibt es in jedem Einkaufsmarkt für kleines Geld), könnte eine nützlich sein, um kleine Teile oder diffizile Stellen besser zu erkennen. Das ist wie eine Lupe, nur dass man sie nicht halten muss. Ich möchte sie nicht missen! Später, wenn man eine Lesebrille braucht, nimmt man für diesen Zweck eine etwas stärkere als zum Lesen. Zu stark darf sie aber nicht sein, weil sonst der Arbeitsabstand zu kurz wird, man müsste z.B. 10 cm vor der Nase löten. Also kurz probieren und diejenige nehmen, die den richtigen Arbeitsabstand bietet. Ich habe sogar 2 Stück für unterschiedliche Feinheitsgrade, je nach Gegenstand.

Kaltes Wasser und Pflaster für verbrannte Finger bereithalten (Kleiner Scherz, aber hin und wieder macht ein Finger mit dem Lötkolben Bekanntschaft - es ist erstaunlich, welche Reaktionszeiten man drauf hat! Bleibende Schäden sind nicht bekannt.

Eigentlich ist Löten gar nicht kompliziert, jedenfalls viel einfacher, als diesen Text zu lesen

Also ran und du wirst sehen, dass es nach einiger Zeit ausgesprochen Spaß macht. Man kann Dinge machen, bei denen andere hilflos sind.

Walter

Geändert von Walter (27.01.2022 um 22:55 Uhr) Grund: Tipp Lesebrille
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